Wo ist der weibliche Jörg Widmann?
Hand aufs Herz: Wie viele Komponistinnen fallen Ihnen spontan ein? Genau. Und das spiegelt sich in den Konzertsälen, auf den Festivals Neuer Musik, im Gehalt und in der Wahrnehmung wider. Aber was sind die genauen Ursachen? Und wie ergeht es den vielen Frauen, die diesen Weg einschlagen – vierzig Jahre nach der letzten Frauenbewegung? Das alles habe ich verschiedene Komponistinnen und Expertinnen gefragt. Eine spannende Diskussion:
SteckbriefE zu den Interviewten:
Dr. Meret Forster
Meret Forster studierte unter anderem Musikwissenschaft und Neuere Deutsche Literatur in Amsterdam und Berlin. Durch ihre frühen vielseitigen journalistischen Tätigkeiten, unter anderem beim MDR mit Schwerpunkt auf Neue Musik und Konzertmitschnitten, verfügt sie über ein fundiertes Wissen über den Klassikbetrieb.
Seit 2011 ist sie Redaktionsleiterin bei BR-KLASSIK. Hier ist sie für viele Angelegenheiten rund um Veranstaltungen und Konzerte verantwortlich, beispielsweise für Konzertmitschnitte oder Live-Übertragungen. Zudem ist sie mit Oswald Beaujean künstlerische Leiterin des ARD-Musikwettbewerbs.
„So lange wir nicht von wirklicher paritätischer Beteiligung sprechen können, ist es noch wichtig. Weil ich glaube wirklich, es ist auch eine Frage des Selbstbewusstseins, des Selbstverständnisses. Und das wird halt einfach durch eine Quotenregelung, durch Unterstützungsmaßnahmen, Stipendienangeboten speziell für Komponistinnen, speziell für Interpretinnen […] nochmal anders angestoßen.”
Mary Ellen Kitchens
„[Die] Gesellschaft [ist] […] noch nicht soweit […], auch in den Arbeitssituationen, dass Frauen genug Förderung bekommen, jetzt auch über die Jahre des intensiven Familienlebens hinweg. Es muss mehr Möglichkeit […] in diesen Jahren für Frauen [geben, im Bereich Familie und Beruf] zu kombinieren – und im Übrigen auch für Männer zu kombinieren.“
Dr. Charlotte Seither
Charlotte Seither ist nicht nur als Komponistin international aktiv, sondern auch Vorsitzende in vielen wichtigen Räten, darunter im GEMA-Aufsichtsrat und Mitglied im Präsidium des Deutschen Musikrats (DMR). Sie setzt sich dort für die bessere Sichtbarkeit und Parität für Frauen ein.
Nach ihrem Studium (Klavier, Komposition, Germanistik, Musikwissenschaft, promoviert in Philosophie) in Berlin und Hannover hatte sie zahlreiche internationale Erfolge bei Kompositionswettbewerben und gewann verschiedene Stipendien. Sie war Artist in Residence wie beispielsweise im Palazzo Barbarigo Venedig (1993) und in der Villa Aurora Los Angeles (2000). Sie konnte unter anderem ihr Werk “Language of Leaving” bei den BBC Proms 2013 vorstellen. Sie erhielt diverse Preise wie 2014 den Deutschen Musikautorenpreis.
„Wir haben einfach keine Komponistinnen, die ein Pendant zu Wolfgang Rihm oder was auch immer auf internationaler Ebene bilden würden, wo man sagt, an diesen Frauen haben wir schon immer gesehen, wie es funktioniert als Frau sich sehr erfolgreich sich in diesem Metier zu bewegen.“
mehr Infos unter: http://www.charlotteseither.de/
Ina Meredi Arakelian
Ina Meredi Arakelian kam am 4.12.1992 in Berlin auf die Welt. 2003 bis 2013 studierte Meredi als Jungstudentin Harfe und Komposition an der Hochschule für Musik und Universität der Künste Berlin. Sie gewann mehrere Preise, unter anderem beim Bundeswettbewerb „Jugend Komponiert“ und Jeunesses Musicales, Weikersheim.
2007 begann Meredi Theatermusik zu schreiben und später auch für Filme, Ballette und Werbungen Musik zu komponieren.
2018 bekam sie ihren Bachelor of Arts in Filmmusik bei Prof. Gerd Baumann an der Hochschule für Musik und Theater München.
Kürzlich komponierte Ina Meredi Arakelian die Filmmusik für den Kinofilm „Unheimlich perfekte Freunde“ (vornominiert für den deutschen Filmpreis). Auch schrieb sie die Musik zu der ZDF-Reihe “Filmfrauen”, in der Frauen das Filmbusiness mit der Genderbrille aus eigenen Erfahrungen diskutieren, schrieb sie die Musik.
Für sie ist die Musik einfach immer da. “Die Melodien kommen von selbst”, meint sie. Ihre Kompositionen sind mal schwebend, phantasievoll, zauberhaft, mal klangflächig oder hypnotisierend, einhüllend, cool, massiv, vibrierend.
“Ich hab nicht unbedingt das Gefühl, dass ich innerhalb des Studiums mehr machen musste, weil ich eine Frau bin und mich mehr beweisen musste. Aber ich habe in der Praxis, innerhalb von Projekten […] schon das Gefühl gehabt.”
mehr Infos unter: https://www.inamerediarakelian.de/music
Prof. Dr. Dorothea Hofmann
„Es fehlt nicht ein Vorbild. Es fehlt die Selbstverständlichkeit, dass Frauen das können. Das eine ist zum Beispiel das Repertoire, das wir von unseren Instrumentalstudierenden verlangen, das sind ja nur maskuline Autoren.”